Donnerstag, 20. Juni 2013

„Der tägliche Wahnsinn auf deutschen Straßen“


Heute wurde ich mal wieder Zeuge von einem kleinen Akt aus dem Stück „Der tägliche Wahnsinn auf deutschen Straßen“. Die Besetzung lässt Großes erhoffen - in den Hauptrollen Opa Heinz und Oma Trude, klein Stefan und Tante Elli, der Bauarbeiter Manni und einige unbeteiligte Statisten, die die Szene abrundeten.

Es war ein warmer Sommermorgen, klein Stefan kam von einer sehr erfolgreichen Schwimmeinheit nach hause. Schnell wurden die Schwimmsachen auf dem sonnigen Balkon zum trocknen ausgebreitet, bevor es dann mit dem Singel Speed ins Büro ging. Zuerst im sehr gemäßigten Tempo auf dem Radweg in Richtung Innenstadt.

Zur gleichen Zeit stiegen Opa Heinz (etwa 75) und Oma Trude (um und bei 72) in Ihr Automobil. Sie kamen gerade vom Arzt, Oma Trude bekam neue Schmerzmittel gegen Rheuma und Opa Heinz erhielt neben neuen Blutverdünnungsmitteln noch kleine Pillen, die das Vergessen mindern sollten. Schon seit einigen Tagen plagten den liebenswerten Opa Heinz zusätzlich Probleme mit seinen Augen. Immer wieder versagte ihm das ohnehin schon schwächere linke Auge den Dienst.

Die Auswirkungen waren schon nicht ohne. Er goss morgens seinen Kaffe neben die Tasse, nahm auf dem Weg ins Bad den Türrahmen mit und schlug auf der Kellertreppe hin. Das sind natürlich keine Gründe für den Autofahrer des Jahres 1951-55, sein Kraftfahrzeug heute in der Garage zu lassen. Die Temperaturen waren zu hoch, das körperliche Wohlbefinden zu schlecht und der Weg zu umständlich, um mit dem öffentlichen Nahverkehrsbus zu fahren.

Bauarbeiter Manni, ein braun gebrannter, sportlicher Typ Mann, hatte noch leichte Kopfschmerzen vom vorabendlichen Kneipenbesuch. Die Hitze setzte ihm zu. Er wollte nach hause. Aber keine Chance, schon drei seiner polnischen Kollegen hatten heute den Dienst auf Grund spontaner Erkrankungen nicht angetreten. Es half also alles nichts, er musste durchhalten.

Gut gelaunt rollte klein Stefan den Radweg entlang und bereitete sich auf die kommende Gefahrensituation vor. Es galt nun, eine Straße auf dem dafür vorgesehnen Zebrastreifen zu überqueren. Er drosselte das ohnehin schon geringe Tempo und tastete sich langsam richtung Fahrbahn vor. Er suchte den Blickkontakt mit den Fahrern der herannahenden Fahrzeuge. Rechts, ein junger Familienvater, drosselte sein Tempo; links Opa Heinz - in weiter Ferne - fährt unverändert weiter.

Auf Grund der großen Entfernung beschloss klein Stefan, es zu wagen und begann, die Fahrbahn zu überqueren. Immer wieder schaute er gebannt nach links zu Opa Heinz. Der Abstand zum Zebrastreifen wurde geringer und geringer, aber Opa Heinz macht keine Anstalten, sein Tempo zu verringern.

Die Situation spitzte sich zu. Der junge Familienvater bekam vor lauter Staunen den Mund gar nicht mehr geschlossen. Auch Bauarbeiter Manni, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite widerwillig seiner Aufgabe nachkam, ließ vor Spannung seinen Spaten fallen. Klein Stefan stand förmlich auf dem Zebrastreifen und konnte es kaum glauben. Immer noch raste Opa Heinz auf ihn zu. Keine Anstalten zu bremsen, keine Reaktion, nichts!

Eine Mischung aus verbranntem Gummi und lautem Quietschen durchbrach die Spannung. Opa Heinz hatte ein Einsehen mit klein Stefan und leitete unverzüglich eine Gefahrenbremsung ein. Weit aufgerissene Augen und ein offener Mund spiegelten seine Überraschung wieder. Beide Hände umklammerten das Lenkrad und sein Blick wanderte nun zu Oma Trude. Diese saß völlig teilnahmslos auf dem Beifahrersitz und begriff gar nicht was sich hier abspielte. Die Lippen Opa Heinz’ bewegten sich – „Trudchen, hast du den Radfahrer dort gesehen? Wo kommt der den plötzlich her?“

Der junge Familienvater erkannte als erstes, dass die Gefahr gebannt war, schickte Opa Hein einen liebenswerten „Scheibenwischer“ hinüber und wandte sich der Musik im Radio zu. Klein Stefan brabbelte unverständliches Zeugs in seinen Bart, schloss sich dem Gruß des Familienvaters an und überquert die Fahrbahn. Manni, den Blick starr auf Opa Heinz gerichtete, tastete nach seinem Spaten und rief mit voller Stimme: „Wegnehmen, einfach den Führschein wegnehmen. Die sind doch alle voll auf Droge! Lebensgefährlich!“ Klein Stefan konnte sich ein kleines „wirklich, unglaublich!“ nicht verkneifen, als er an Manni vorbei kam.

Opa Heinz konnte es noch gar nicht fassen und stand weiterhin mitten auf dem Zebrastreifen. Der Motor war abgesoffen und scheinbar suchte Oma Trude die Bedienungsanleitung, um mit Rat und Tat Opa Heinz unterstützen zu können, bei den nun zu tuenden Schritten. Nach einem aufgebrachten Hupen vom Wagen hinter ihm, erweckte Opa Heinz den Motor seines Kraftfahrzeuges wieder zum Leben und nahm die Weiterfahrt auf.

Leicht geschockt rollte klein Stefan nun weiter in Richtung Büro. Erst ging es durch die Innenstadt, dann durch ein kleines Wohngebiet und schließlich den Berg hinunter in einer kleinen ruhigen Straße in einer 30 Zone.

Plötzlich – ein weiterer Anschlag! Wie aus heiterem Himmel wurde die Tür eines der parkenden Autos aufgerissen. Aber nicht ein bisschen, nein direkt bis zum Anschlag. Dank des geringen Tempos und des etwas fahrerischem Geschicks ging auch dieser Versuch, klein Stefan ins Krankenhaus zu befördern, daneben.

Mich würde wirklich mal interessieren, was hier heute so los ist! Ich hoffe, ich komm heil wieder nach hause…

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