Heute
wurde ich mal wieder Zeuge von einem kleinen Akt aus dem Stück „Der tägliche
Wahnsinn auf deutschen Straßen“. Die Besetzung lässt Großes erhoffen - in den
Hauptrollen Opa Heinz und Oma Trude, klein Stefan und Tante Elli, der
Bauarbeiter Manni und einige unbeteiligte Statisten, die die Szene abrundeten.
Es
war ein warmer Sommermorgen, klein Stefan kam von einer sehr erfolgreichen
Schwimmeinheit nach hause. Schnell wurden die Schwimmsachen auf dem sonnigen
Balkon zum trocknen ausgebreitet, bevor es dann mit dem Singel Speed ins Büro
ging. Zuerst im sehr gemäßigten Tempo auf dem Radweg in Richtung Innenstadt.
Zur
gleichen Zeit stiegen Opa Heinz (etwa 75) und Oma Trude (um und bei 72) in Ihr
Automobil. Sie kamen gerade vom Arzt, Oma Trude bekam neue Schmerzmittel gegen
Rheuma und Opa Heinz erhielt neben neuen Blutverdünnungsmitteln noch kleine
Pillen, die das Vergessen mindern sollten. Schon seit einigen Tagen plagten den
liebenswerten Opa Heinz zusätzlich Probleme mit seinen Augen. Immer wieder
versagte ihm das ohnehin schon schwächere linke Auge den Dienst.
Die
Auswirkungen waren schon nicht ohne. Er goss morgens seinen Kaffe neben die
Tasse, nahm auf dem Weg ins Bad den Türrahmen mit und schlug auf der Kellertreppe
hin. Das sind natürlich keine Gründe für den Autofahrer des Jahres 1951-55,
sein Kraftfahrzeug heute in der Garage zu lassen. Die Temperaturen waren zu
hoch, das körperliche Wohlbefinden zu schlecht und der Weg zu umständlich, um
mit dem öffentlichen Nahverkehrsbus zu fahren.
Bauarbeiter
Manni, ein braun gebrannter, sportlicher Typ Mann, hatte noch leichte
Kopfschmerzen vom vorabendlichen Kneipenbesuch. Die Hitze setzte ihm zu. Er
wollte nach hause. Aber keine Chance, schon drei seiner polnischen Kollegen
hatten heute den Dienst auf Grund spontaner Erkrankungen nicht angetreten. Es
half also alles nichts, er musste durchhalten.
Gut
gelaunt rollte klein Stefan den Radweg entlang und bereitete sich auf die
kommende Gefahrensituation vor. Es galt nun, eine Straße auf dem dafür
vorgesehnen Zebrastreifen zu überqueren. Er drosselte das ohnehin schon geringe
Tempo und tastete sich langsam richtung Fahrbahn vor. Er suchte den
Blickkontakt mit den Fahrern der herannahenden Fahrzeuge. Rechts, ein junger
Familienvater, drosselte sein Tempo; links Opa Heinz - in weiter Ferne - fährt
unverändert weiter.
Auf
Grund der großen Entfernung beschloss klein Stefan, es zu wagen und begann, die
Fahrbahn zu überqueren. Immer wieder schaute er gebannt nach links zu Opa
Heinz. Der Abstand zum Zebrastreifen wurde geringer und geringer, aber Opa
Heinz macht keine Anstalten, sein Tempo zu verringern.
Die
Situation spitzte sich zu. Der junge Familienvater bekam vor lauter Staunen den
Mund gar nicht mehr geschlossen. Auch Bauarbeiter Manni, der auf der
gegenüberliegenden Straßenseite widerwillig seiner Aufgabe nachkam, ließ vor
Spannung seinen Spaten fallen. Klein Stefan stand förmlich auf dem
Zebrastreifen und konnte es kaum glauben. Immer noch raste Opa Heinz auf ihn zu.
Keine Anstalten zu bremsen, keine Reaktion, nichts!
Eine
Mischung aus verbranntem Gummi und lautem Quietschen durchbrach die Spannung.
Opa Heinz hatte ein Einsehen mit klein Stefan und leitete unverzüglich eine
Gefahrenbremsung ein. Weit aufgerissene Augen und ein offener Mund spiegelten
seine Überraschung wieder. Beide Hände umklammerten das Lenkrad und sein Blick
wanderte nun zu Oma Trude. Diese saß völlig teilnahmslos auf dem Beifahrersitz
und begriff gar nicht was sich hier abspielte. Die Lippen Opa Heinz’ bewegten
sich – „Trudchen, hast du den Radfahrer dort gesehen? Wo kommt der den
plötzlich her?“
Der
junge Familienvater erkannte als erstes, dass die Gefahr gebannt war, schickte
Opa Hein einen liebenswerten „Scheibenwischer“ hinüber und wandte sich der
Musik im Radio zu. Klein Stefan brabbelte unverständliches Zeugs in seinen
Bart, schloss sich dem Gruß des Familienvaters an und überquert die Fahrbahn.
Manni, den Blick starr auf Opa Heinz gerichtete, tastete nach seinem Spaten und
rief mit voller Stimme: „Wegnehmen, einfach den Führschein wegnehmen. Die sind
doch alle voll auf Droge! Lebensgefährlich!“ Klein Stefan konnte sich ein
kleines „wirklich, unglaublich!“ nicht verkneifen, als er an Manni vorbei kam.
Opa
Heinz konnte es noch gar nicht fassen und stand weiterhin mitten auf dem
Zebrastreifen. Der Motor war abgesoffen und scheinbar suchte Oma Trude die
Bedienungsanleitung, um mit Rat und Tat Opa Heinz unterstützen zu können, bei
den nun zu tuenden Schritten. Nach einem aufgebrachten Hupen vom Wagen hinter ihm,
erweckte Opa Heinz den Motor seines Kraftfahrzeuges wieder zum Leben und nahm
die Weiterfahrt auf.
Leicht
geschockt rollte klein Stefan nun weiter in Richtung Büro. Erst ging es durch
die Innenstadt, dann durch ein kleines Wohngebiet und schließlich den Berg
hinunter in einer kleinen ruhigen Straße in einer 30 Zone.
Plötzlich – ein weiterer
Anschlag! Wie aus heiterem Himmel wurde die Tür eines der parkenden Autos
aufgerissen. Aber nicht ein bisschen, nein direkt bis zum Anschlag. Dank des
geringen Tempos und des etwas fahrerischem Geschicks ging auch dieser Versuch,
klein Stefan ins Krankenhaus zu befördern, daneben.
Mich würde wirklich mal
interessieren, was hier heute so los ist! Ich hoffe, ich komm heil wieder nach
hause…
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